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TASSE REGELT REGEL

Geht man davon aus, dass eine Frau mit 13 Jahren zum ersten Mal ihre Tage bekommt, mit 50 zum letzten Mal, hat sie 444 Perioden erlebt. Waren das jedes Mal durchschnittlich fünf Tage, blutete sie in ihrem Leben mehr als sechs Jahre lang – nicht selten verbunden mit starken Bauchkrämpfen. Hinzu kommen die Kosten für die rund 12.000 Tampons oder Binden einer Durchschnittsfrau: zwischen 600 und 800 Euro. Und das ständige Drandenken „etwas“ dabei zu haben, um mehrmals am Tag wechseln zu können.  

Tamponzeitalter, ciao!

Bea R., 34, hat vor ein paar Monaten ihr Tamponzeitalter beendet und sich eine Tasse gekauft. „Ich hatte im Fernsehen eine Reportage über eine Familie gesehen, die keinen Müll produzierte. Die Frau benutzte eine Menstruationstasse. Dann guckte ich mir Beiträge auf YouTube oder in Blogs an und wollte das auch testen.“ Hinzu kam der ständige Neurodermitis-Ausschlag in der Scheide und dass sie ihre Tage immer stark hatte.

Solche Silikon-Tassen erobern zur Zeit Markt und Vaginas; vor allem junger Frauen. Die Menstruationstassen ähneln Miniatur-Pömpeln, sind so groß wie ein Ei und lassen sich so knautschen, dass sie jede Frau bis zum Gebärmutterhals schieben kann. Wo sie dann sitzt und Blut auffängt, ehe sie im Klo geleert und wieder eingesetzt werden muss. Bis zu zehn Jahre lang kann man sie verwenden, sagen Hersteller. Das schont Umwelt und Geldbeutel. Eine  kostet 15 bis 30 Euro.

„…bin jede Stunde aufs Klo gerannt.“

Die Tasse war eine Umstellung für Bea R. „Die ersten paar Mal hatte ich total Angst und bin jede Stunde aufs Klo gerannt, um zu schauen, ob irgendwo Blut ist. Ich konnte nicht glauben konnte, dass alles dicht sein sollte, weil es sich anders anfühlt und war überrascht, dass es gar nicht roch.“ Anfangs sei etwas Blut entwichen, weil sie das Einsetzen noch üben musste. „Zwei Zyklen habe ich gebraucht und mir Videos angeschaut.“ Auch das Entfernen war schwer: Die Tasse saugt sich an, ein Vakuum entsteht und es war für sie ungewohnt, sich mit den Fingern tief in die Scheide zu fassen. „Ich dachte, ich muss zum Frauenarzt, damit der mir das Ding wieder heraus holt.“ Sie schaffte es. Mittlerweile ist die Geschichte in ein paar Sekunden erledigt. Und den Ausschlag hat sie nicht mehr. 

Dr. Pia Bauernschmidt, niedergelassene Gynäkologin in Neu-Ulm, sagt: „Vor allem bei Frauen zwischen 20 und 35 Jahren beobachte ich den Tassen-Trend. Wahrscheinlich sind sie aufgeschlossener und tauschen ihre Erfahrungen in Internetforen aus.“ Sie berichteten von weniger starken Regelschmerzen. Für die Gynäkologin ist das nachvollziehbar, denn: „Das Blut aus dem Muttermund kann ständig abfließen und wird nicht durch ein Tampon gebremst.“ Und obwohl die Gefahr eines sogenannten toxischen Schocks durch eine Kokken-Infektion infolge eines zu lange getragenen Tampons sowieso gering ist, ist sie durchs Tragen einer Tasse komplett ausgeschlossen. Krankheitserreger haben keine große Chance, weil die Vaginal-Schleimhaut nicht wie beim Tampon austrocknet. Doch ist es unbedenklich, Silikon Tage lang in der 36 Grad warmen Vagina zu tragen? Können in diesem Klima Stoffe austreten, giftige Weichmacher? Dr. Pia Bauernschmidt: „Nein, es handelt sich dabei um medizinisches Silikon.“

Mal ehrlich, wie hygienisch kann es von Statten gehen, wenn man eine öffentliche Toilette besucht und dann mit leerer Tasse und blutigen Fingern aus der Kabine kommt, um sie im Vorraum zu spülen? Bea R. erzählt: „Im Internet stand, man soll sich eine Wasserflasche zum Auswaschen oder Intimtücher mitnehmen, wenn es in einer Kabine kein Waschbecken gibt. Das ist mir zu blöd. Ich wische sie mit Klopapier aus und setze sie wieder ein.“

Tasse mit sozialem Anspruch

Die Hygiene während der Periode wollen auch drei junge Frauen aus Dänemark durch ihre „Ruby Cups“ helfen zu verbessern. 2011 gründeten sie die Firma, die heute von Berlin und Nairobi aus arbeitet und mehrfach preisgekrönt wurde. Sie spendet für jede verkaufte Menstruationstasse eine an eine junge Frau in Kenia, die keinen Zugang zu hygienischen Menstruationsartikeln hat. In Kenia verwenden Frauen manchmal Zeitungen, Rinde, Lehm, Schlamm, Matratzenreste oder alte Socken. Das führt häufig zu Infektionen. Menstruation ist in vielen Teilen Afrikas immer noch ein Tabu-Thema, Frauen bleiben oft aus Angst sich zu blamieren zu Hause, statt in Schule oder Arbeit zu gehen.

„Die Vagina ist ein robustes System.“

Doch ist es nicht ebenso fahrlässig eine Tasse nur mit heißem Wasser zu spülen? Dr. Pia Bauernschmidt: „Die Vagina ist ein robustes System, das sich selbst gute reguliert. Die Barriere zwischen ihr und der Gebärmutter funktioniert besser, als es Frauen annehmen – allein während des Wochenbetts befinden sich Milliarden von Keimen im Wochenfluss.“ Tampons aber böten durch ihr Gewebe bei langem Tragen eher einen Keim-Nährboden als Menstruationstassen aus glattem Silikon.

Bea R. ist froh, wenn sie unterwegs ist, nicht mehr an Tampons und Binden denken zu müssen. Die Tasse ist auf Schritt und Tritt dabei. Die kann sie nicht vergessen. Und tut es doch: Sie spürt sie nicht mehr.

 

Info:

Der Ruby Cup ist die Menstruationstasse mit sozialem Anspruch: Für jedes verkaufte Produkt geht eine weitere Tasse an kenianische Schulmädchen, für die Binden und Tampons zu teuer sind. Die Marke Me Luna kommt aus Deutschland mit einer großer Auswahl an Größen, Materialien und Farben. Die Diva Cups sind weltweit bekannt und verfügen über sehr weiches Material. Aus Finnland stammt der Cup  namens Lunette. Der zwei bis zweieinhalb Zentimeter lange Stiel erleichtert das Herausnehmen. Weitere Marken sind Femmecup, Lady Cup, Mooncup, Yuuki und Organicup. Die Cups gibt es im Internet, in Drogeriemärkten und Apotheken.