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HOCHZEITEN ABSTAUBEN

Heiraten ist teuer. Warum nicht einfach die abgesagte Hochzeit eines anderen Paares übernehmen?

Auf einer privaten Segelyacht heiraten, im Mittelmeer vor der Küste Kroatiens. Drei Tage lang, im kleinen Kreis mit neun Personen. Statt 2180 Euro nur noch 1744 Euro – 26 Prozent Ermäßigung. Oder aber im imposanten Anwesen in Südfrankreich für maximal 60 Gäste inmitten von fünf Hektar privatem Land und unweit eines Vogelschutzgebiets? Dazu eine Übernachtsmöglichkeit für 30 Personen in vier Häusern, die um einen schönen Innenhof platziert sind, beheizter Pool, Sauna. Von knapp 5000 Euro herunter gesetzt. Oder im australischen Busch mit Blick auf Sanddünen. Reduziert auf 8200 australische Dollar. Steffi und Tobi sind um die 30 und haben sich entschlossen, „es“ zu tun. Doch sie wollen nicht ihr Erspartes für einen einzigen schönen Tag auf den Kopf hauen. Laut dem Bund Deutscher Hochzeitsplaner sollten für eine Feier mit 70 Leuten mindestens 14.000 Euro eingeplant werden. Steffi und Tobi haben von einer Bekannten die Seite www.abgesagtehochzeiten.de empfohlen bekommen: Menschen, die schon eine Hochzeit geplant haben, versuchen diese dort wieder loszuwerden. Ist da ein verlockendes Fest dabei?

In Deutschland heirateten aktuellsten Erhebungen des Statistischen Bundesamtes zufolge im Jahr 2016 fünf von 1000 Einwohnern: mehr als 410.000 Menschen. 1950 trauten sich dagegen elf von 1000, was mehr als 750.000 waren. Über 162.000 Ehen wurden 2016 geschieden, durchschnittlich nach 15 Jahren, meist reichte die Frau die Scheidung ein. Immerhin waren es damit 0,6 Prozent weniger Scheidungen als im Vorjahr. Seit jeher träumen Menschen von der großen Liebe, wollen sie mit einem Schwur besiegeln, mit einem Fest, zu dem alle wichtigen Menschen kommen sollen und sehen, dass ein Deckel seinen Topf gefunden hat. Allerdings stellen sich manche vorher als Schnellkochtöpfe heraus. Da wurde mit Volldampf die Dame zum Ja-Sagen gegart oder anders herum, dann die Hochzeit zum Projekt des Jahres ausgerufen.  Stress keimt auf, die Nerven liegen blank – und die Liebenden sich in den Haaren statt den Armen: Location? Essen? Übernachtung? Zeremonie? Ringe schmieden? Kleid. Deko, Band? Einladungen! 

Spontanhochszeit möglich.

Sind Romeo und Julia durch den ersten großen Härtetest gefallen und müssen ihre Hochzeit stornieren, müssen sie sich neben dem emotionalen Verlust auch mit dem finanziellen abfinden. Denn immer sind damit geleistete Anzahlungen verbunden. Auch unvorhergesehne Jobwechsel oder Todesfälle in der Familie können Gründe sein, eine Hochzeit abzusagen. Die britische Firma Canceled Weddings hat daraus ein Geschäft kreiert: Einerseits macht sie es möglich, die finanziellen Einbußen abzufedern, andererseits bietet sie Menschen, die beim Heiraten sparen wollen oder müssen günstige Arrangements an. Zumindest günstiger als der Ursprungspreis. Und sie müssen auch nicht mehr so viel planen, haben ja andere übernommen.

Die Agentur übernimmt die Rolle eines Maklers und verkauft solche abgesagten Hochzeiten weiter. Der Erfinder von Canceled Weddings Peter K. Ulrich ist zufällig auf die Geschäftsidee gekommen. Als Anbieter für exklusive Yacht-Hochzeiten wollte er seinen Kunden eine Absicherung bieten – und schuf die Möglichkeit, ausgefallene Events weiterzuverkaufen. 2013 startete er dann mit den abgesagten Hochzeiten.

Wer eine Hochzeit sucht oder finden will, erstellt ein Profil mit allen Wünschen an den großen Tag. Oder gibt andersherum an, was schon alles gebucht wurde, was also im All-inclusive-Paket wäre: Hotel, Restaurant, Catering, Fotograf, Band…? Gerade Paare, die nicht unbedingt vor der Haustüre heiraten wollen, können hier fündig werden. Die Seite wirbt mit Hochzeiten rund um den Globus: USA, Europa, Asien, Afrika… Je genauer die Angaben, desto passgenauere sogenannte Matches kann die Agentur erzeugen und damit Käufer und Verkäufer zusammen führen. Anonym natürlich. Die Kuppler-Agentur nimmt dann Provision bei erfolgreicher Vermittlung; bis dahin ist die Plattform gratis.

Pavel Klimes von der Agentur sagt: „Es hört sich einfach an, wenn man sagt: Lasst uns abgesagte Hochzeiten verkaufen. Das ist es aber nicht. Da müssen so viele Rechte und Zusagen von einem Paar auf ein anderes übertragen werden. Dem müssen sämtliche Vertragsteilnehmer, wie beispielsweise Catering-Unternehmen, Veranstaltunglokal-Chefs und Fotografen, zustimmen. Da muss man sich gut auskennen in Vertragsangelegenheiten; gerade auch, weil die Gesetze in jedem Land unterschiedlich sind.“ Aktuell interessierten sich stets mehrere hundert Käufer für eine abgesagte Hochzeit. Und jedes Paar hat viele, viele Fragen.

In den USA kostet eine Hochzeit rund 26.000 Dollar.

Wenn in den USA eine Hochzeit 20.000 Dollar kostet (im Schnitt aber 26.000 Dollar ohne Verlobungsring und Hochzeitsreise), rechnet Pavel Klimes vor, dann wird die Hälfte des Preises bereits angezahlt, was also 10.000 Euro sind. Er fragt: „Tut das nicht weh?“ Je näher das Hochzeitsdatum rückt, desto besser „ist der Deal“. Während im angelsächsischen Bereich der Markt für abgesagte Hochzeiten boome, sei er in Deutschland noch klein – bisher ist auch lediglich die Startseite in deutscher Sprache gestaltet.

Steffi und Tobi träumen von einer Gartenhochzeit, in Wassernähe. „Toll wäre auch, wenn ein Hotel dabei wäre, weil die Gäste von überall her kommen werden.“ Die Angebote zeigen viel Grün, könnte was dabei sein… Und vielleicht ist darunter ja noch ein Schnäppchen für diesen Herbst?

Die Nachfrage nach Secondhand Hochzeiten hinkt in Deutschland noch. Kein Wunder. In den USA bleibt mehr Geld auf der Strecke, wenn alles abgeblasen wird. In Großbritannien geben Paare im Schnitt 36.000 Pfund, also mehr als 40.000 Euro aus, in Australien 36.000 Dollar, in Kanada mehr als 22.000 Dollar und in Irland mehr als 27.000 Dollar. Einer Studie des „The Wedding Report“ zufolge werden etwa 13 Prozent aller Hochzeiten in den USA abgesagt. In Deutschland, wie gesagt, eher „nur“ 14.000 Euro. Auch wenn Frederike Mauritz, die seit 19 Jahren als Hochzeitsplanerin arbeitet und Bund-Mitglied ist, sagt, dass Zahlen sehr schwer festzulegen sind. „Was zählt da alles rein? Auch der Ring und die Flitterwochen?“ Grundsätzlich hat sie die Erfahrung gemacht: Je teurer das Auto in der Garage, desto teurer die Hochzeit.

Mauritz findet grundsätzlich die Idee der Plattform gut. „Es wäre ja schade, wenn Hochzeitspaare auf ihren Stornobedingungen sitzen bleiben. Deshalb ist es klug, Hochzeiten zu recyclen.“ Andererseits weiß sie von ihren Kunden, dass sie oft sehr genaue Vorstellungen haben. Welcher DJ spielt welches Lied oder welche Band? „Man bucht da eben gleich so ein fertiges Paket… Und dann kann man vielleicht auch nicht in der Nähe heiraten.“ Und doch sei eine Hochzeit für viele eben eine Budgetfrage. Wenn man nicht so fixe Vorstellungen hat, Geld und sich Teile der Planung sparen will, sei das eine super Sache. 

 

Info:

www.abgesagtehochzeiten.de